Essstörungen

Wenn sich die eigenen Gedanken nur noch um Essen, das eigene Gewicht und Kalorien Zählen dreht, ist die Gefahr an einer Essstörung zu erkranken, nicht weit. Ob Magersucht, Bulimie oder Esssucht – alle Erkrankungsformen haben gemein, dass Essen mit Angst und Schuldgefühlen verbunden wird und sich die Wahrnehmung des eigenen Körpers massiv verändert.
Eine Essstörung ist kein Ernährungsproblem oder ein ‚Splen‘, sondern eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung, die tödlich enden kann. Oft müssen diese Betroffenen auch – zumeist gut gemeinte – ‚Ratschläge‘ hören wie: „reiss‘ dich doch zusammen“ oder „hör‘ auf zu spinnen“. Diese Worte sind nicht nur sinnlos, sondern können für die Erkrankten zur Qual werden und damit indirekt die Essstörung sogar noch verstärken.
Es gibt viele, sehr individuelle Ursachen, die zu einer Essstörung führen können. Ziel der Symptomatik ist jedenfalls auch, (endlich wieder) Kontrolle zu haben: in schwierigen Zeiten scheint es, dass die Kontrolle über das eigene Leben fremdbestimmt ist. Ob allerdings gegessen wird, das Essen auch im Körper bleiben darf oder nicht und wie viel gegessen wird: wenigstens das ist noch selbst bestimmbar. Aus diesem Grund sind z. B. in der Corona-Pandemie die Erkranken an Essstörungen insbesondere bei Jugendlichen enorm angestiegen.
Wir begleiten diese Patientinnen und Patienten vor allem darin, ihre Stärken und Möglichkeiten wieder zu entdecken und damit auch die Selbstakzeptanz und das Selbstvertrauen zurück zu gewinnen. Besonders bei dieser Erkrankung ist auch die verständnisvolle Unterstützung der Partner, Freunde und Angehörigen sehr wichtig. Gerade das fällt aber oft schwer, weshalb wir gerne auch diese ‚Verbündeten‘ auf ihrem Weg der Unterstützung begleiten.
Mögliche Ursachen von Essstörungen
Essstörungen entstehen meist durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren:
- Biologische und genetische Faktoren: Eine familiäre Häufung, genetische Veranlagung und Veränderungen im Stoffwechsel (z. B. Hormone wie Serotonin, Leptin oder Insulin) können das Risiko erhöhen.
- Psychische Faktoren: Niedriges Selbstwertgefühl, Perfektionismus, emotionale Instabilität oder Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen wie Angst, Wut, Trauer oder Stress spielen eine große Rolle.
- Gesellschaftliche Einflüsse: Schlankheitsideale, Schönheitsdruck durch Medien und soziale Netzwerke sowie Diätkultur fördern die Entstehung von Essstörungen, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
- Familiäre und soziale Faktoren: Konflikte, hohe Erwartungen, wenig emotionale Unterstützung oder bereits bestehende Essstörungen in der Familie können das Risiko erhöhen.
- Weitere Auslöser: Häufiges Diäthalten, belastende Lebensereignisse oder chronischer Stress können Essstörungen begünstigen.
Welche sind die häufigsten Essstörungen und worin unterscheiden sie sich?
Begriff | Kurze Erklärung |
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Bulimie (Bulimia nervosa) | Wiederkehrende Essattacken, bei denen große Mengen Nahrung in kurzer Zeit aufgenommen werden, gefolgt von Maßnahmen wie selbst herbeigeführtem Erbrechen oder dem Missbrauch von Abführmitteln, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Betroffene haben meist Normalgewicht und sind stark mit ihrem Körpergewicht beschäftigt. |
Anorexie (Anorexia nervosa, Magersucht) | Starke Angst vor Gewichtszunahme und ein gestörtes Körperbild führen dazu, dass Betroffene extrem wenig essen, stark abnehmen und oft untergewichtig sind. Häufig werden zusätzlich exzessiver Sport, Erbrechen oder Abführmittel eingesetzt, um das Gewicht weiter zu senken. |
Binge Eating (Binge-Eating-Störung) | Wiederholte Essanfälle, bei denen große Mengen Nahrung in kurzer Zeit gegessen werden – ohne anschließende „Ausgleichsmaßnahmen“ wie Erbrechen. Die Betroffenen fühlen sich während der Essanfälle oft außer Kontrolle und leiden danach unter Schuld- und Schamgefühlen. Binge Eating ist häufig mit Übergewicht verbunden, kann aber bei allen Gewichtsklassen auftreten. |
Darüber hinaus gibt es noch weitere Formen von Essstörungen:
- Mischformen: Viele Betroffene zeigen Symptome, die sich nicht klar einer der drei Hauptformen zuordnen lassen, sondern Merkmale mehrerer Essstörungen aufweisen. Diese Mischformen sind häufig und können genauso belastend sein wie die Hauptformen.
- Orthorexie: Eine zwanghafte Fixierung auf eine vermeintlich gesunde Ernährung. Betroffene meiden strikt als ungesund empfundene Lebensmittel und schränken ihre Ernährung immer weiter ein.
- Night-Eating-Syndrom: Betroffene essen vor allem abends und nachts große Mengen, während sie tagsüber wenig oder gar keinen Appetit haben.
- Anorexia athletica: Vor allem bei Sportlerinnen und Sportlern, die durch extremes Diäthalten und übermäßigen Sport ihr Gewicht kontrollieren wollen.
- Chewing and Spitting: Die Nahrung wird nur gekaut und dann ausgespuckt, ohne geschluckt zu werden.
- Vermeidend-restriktive Essstörung (ARFID): Sehr eingeschränkte oder selektive Nahrungsaufnahme, oft ohne Sorge um Figur oder Gewicht, sondern z. B. aus Angst vor bestimmten Konsistenzen oder Geschmäckern.
Pica-Syndrom: Aufnahme von nicht essbaren Substanzen wie Erde, Papier oder Haaren2.
Fütterstörung: Vor allem bei kleinen Kindern, die Nahrung verweigern oder extrem wählerisch sind2.
Purging Disorder: Kompensatorische Maßnahmen wie Erbrechen oder Abführmittel ohne vorherige große Essanfälle
Diese und weitere atypische oder „nicht näher bezeichnete Essstörungen“ sind medizinisch und psychisch ernst zu nehmender Erkrankungen und können erhebliche Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden haben!